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Marion Wüst, ehemalige Curlerin, bei Allreal

MARION WÜST, EHEMALIGE CURLINGSPIELERIN
Vom Eis zum Office
11 / 2023
Heute wollen wir dir Marion Wüest vorstellen. Die 21-jährige kommt aus einer Curling Familie. Bereits ihre Eltern haben professionell Curling gespielt und sie curlt seit sie acht Jahre alt ist. 2022 haben ihr Team und sie an der Curling Junioren WM in Schweden den 5. Platz erreicht. Ein Jahr später schaffen sie es an der WM in Deutschland auf den vierten Platz. Das Leben als Leistungssportlerin ist hart. Sie trainiert fünf bis sechs Mal in der Woche, sowohl auf dem Eis, als auch abseits des Eis. Wirklich Leben kann sie finanziell davon nicht. Sponsoren oder Patenschaften decken lediglich die anfallenden Kosten wie Reisen, Startgelder oder Materialkosten. Sie macht also neben dem Curlingspielen noch eine Lehre zur Bürokauffrau und schliesst daran noch eine zweijährige Berufsmatura an. Heute ist Marion in der Finanzabteilung unseres Partnerunternehmens Allreal tätig. Soeben wurde ihr Praktikumsvertrag auf einen unbefristeten Festanstellungsvertrag umgeändert. Mehr über ihr turbulentes und aufregendes Leben an der Sportspitze erzählt sie uns im Interview.
Was fasziniert dich am Curling Sport?
Am Curling fasziniert mich die Kombination aus Präzision, Teamwork und Strategie. Es ist ein Sport, der auf den ersten Blick vielleicht ruhig und langweilig wirkt, jedoch erkennt man beim genaueren Hinsehen, wie herausfordernd und spannend der Sport sein kann. Die Präzision, mit der die Spieler:innen den Stein spielen müssen, um ihn genau an der richtigen Stelle positionieren zu können, ist beeindruckend. Ein kleiner Fehler in der Geschwindigkeit oder in der Linie kann einen riesigen Unterschied im Ergebnis ausmachen. Ausserdem ist Curling ein Sport, bei dem Teamwork von entscheidender Bedeutung ist. Die vier Spieler oder Spielerinnen müssen auf dem Eis koordiniert zusammenarbeiten, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Man gewinnt oder man verliert einen Match nur als Team. Kommunikation und der Teamspirit sind unerlässlich. Man darf auch nicht unterschätzen, wie viel strategisches Denken im Curling erforderlich ist. Es geht nicht nur darum, den eigenen Stein richtig zu platzieren, sondern auch darum, die Steine des Gegners einzuschätzen, um so Spielverlauf zu kontrollieren.
Deine Eltern waren auch Curling Profis. Redet ihr Zuhause auch über anderes oder nur übers Curling?
Klar. Curling ist ein grosses Thema bei uns zu Hause. Bis vor Kurzem war dies auch mein halber Lebensinhalt, was natürlich viel Gesprächsstoff am Familienesstisch gab. Inzwischen sind wir jedoch alle vom Profisport «zurückgetreten». Nun ist auch Platz für viele andere Gesprächsthemen entstanden.
Mittlerweile spielt die halbe Familie, wie viele andere Curling-Spieler auch, nebenbei Golf, was diesen Sommer 2023 als Gesprächsthema dominierte. Im Winter wird die ganze Familie allerdings wieder auf dem Eis stehen. Dann wird es um das Thema Curling kein Drumherum geben. Ich selbst bin jedoch nicht im Golffieber und bringe gerne alltägliche Themen wie die Arbeit, Freunde oder gemeinsame Erlebnisse zur Sprache.
Was ist, deiner Meinung nach, die grösste Herausforderung im Curling?
Meiner Meinung nach ist die grösste Herausforderung im Curling die Fähigkeit zur Konzentration und Präzision über die gesamte Dauer eines Spiels hinweg. Ein Spiel kann von zwei, bis zu drei Stunden dauern. Es erfordert unbeirrbare Aufmerksamkeit, da kleine Fehler in der Ausführung oder im strategischen Denken zu grossen Veränderungen im Spielverlauf führen können. Diese langanhaltende Konzentration und die Fähigkeit, unter Druck ruhig zu bleiben, sind entscheidend, um im Curling erfolgreich zu sein.
Was ist, deiner Meinung nach, die grösste Herausforderung, wenn man Sport auf einer Profiebene ausführt?
Der Profisport erfordert oft erhebliche Opfer von den Athlet:innen. Sie müssen auf viele soziale Aktivitäten verzichten und einen Grossteil ihrer Zeit dem Training, den Wettkämpfen und der Erholung widmen. Ausserdem stehen Profisportler:innen unter einem immerwährenden Druck, auf höchstem Niveau zu konkurrieren. Die Erwartungen von Trainer:innen, Sponsoren, Verband oder Teamkolleg:innen sind hoch und bringen einige Sportler:innen an ihre Grenzen.
In manchen Sportarten, da gehört Curling leider dazu, kann man finanziell nicht vom Sport leben. Es ist also notwendig, neben der Sportkarriere, eine berufliche Karriere nicht zu vernachlässigen.
Es gibt Sportarten, die sich finanziell auszahlen, aber nur, solange man stets erfolgreich ist. Und wenn man aus finanziellen Gründen immer erfolgreich sein muss, übt dies einen zusätzlichen enormen Druck auf Sporttreibende aus. Man kann es sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, «schlecht» zu Performen.
Hinzu kommt ausserdem die Verletzungsgefahr, die im Profisport omnipräsent ist. Die Häufigkeit und die Intensität von Sport beanspruchen Körper und Geist auf eine Weise, dass das Risiko für Verletzungen stets hoch ist. Verletzungen können schliesslich nicht nur körperliche und geistige Gesundheit gefährden, sondern auch die sportliche Karriere.
Profisportler:innen müssen also äusserst vorsichtig sein und sich um ihre gesundheitliche Verfassung kümmern, um Verletzungen vermeiden oder mindestens zu minimieren.
Bringt ein:e Profisportler:in vom Athletes Network andere Eigenschaften/Skills mit ins Büro, als ein «normaler» Angestellter bzw. eine «normale» Angestellte?
Ja, Profisportler:innen, können eine Reihe von Eigenschaften und Fähigkeiten aus ihrer sportlichen Karriere mit ins Büro bringen, die sie von anderen unterscheidet. Sie sind grösstenteils überdurchschnittlich diszipliniert und haben Ausdauer, um sich auf langfristige Ziele zu konzentrieren zu können. Ausserdem sind Sportler:innen motiviert, persönliche Bestleistungen zu erzielen. Diese Haltung treibt sie auch im Büro an, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen und Erfolg anzustreben. Ein weiterer erwähnenswerter Wesenszug von Sporttreibenden ist die Fähigkeit zur Stressbewältigung. Profisportler sind sich gewöhnt, unter Druck zu arbeiten und in stressigen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren und ihre Leistung zu bringen.
Welche Skills, die du im Profisport gelernt hast, bringst du mit zu Allreal?
Dadurch, dass wir viel unterwegs waren, und ich noch die Arbeit und die Schule nebenbei hatte, brauchte es viel Organisation. Zeitmanagement war ein wichtiger Punkt, welcher mir auch bei Allreal hilft, meine Arbeit auf das Pensum von 75% aufzuteilen Da es auch vorgekommen ist, dass mein Zeitplan während der Saison nicht ganz aufgegangen ist, musste ich auch lernen mit Stress umzugehen. Dies sowohl bei der Arbeit als auch in der Schule.
Wie im Sport ist man auch bei der Arbeit gewissen Drucksituationen ausgesetzt, die man zu bewältigen hat.
Du hast Sommer 2023 den Leistungssport aufgegeben. Wieso?
Mir wurde der Aufwand, welchen wir erbringen mussten, um erfolgreich zu sein, zu hoch. Ich bin in dem Alter, indem der Wechsel von den Junioren zur Elite stattfindet und mit diesem Wechsel steigt auch der Druck, also die Erwartungen und schliesslich der Aufwand auf und neben dem Eis. Vor allem im Winter habe ich immer mehr gemerkt, dass Familie und Freunde oftmals zu kurz kamen, da wir regelmässig in der Schweiz und auch im Ausland mit Turnieren beschäftigt waren.
Ich habe auch gemerkt, wie sich mein Fokus in den letzten Monaten mehr auf das Private verlegt hat. Die Ziele, welche wir als Team verfolgen wollten, habe ich für mich selbst hinterfragt und bin zum Schluss gekommen, dass dies nicht meine Ziele für die Zukunft sind.
Ich habe im Sommer 2023 meine Berufsmatur abgeschlossen und stehe somit auch vor einer beruflichen Entscheidung. Durch Athletes Network habe ich eine Stelle gefunden, welche ich im Winter optimal mit den vielen Reisen verbinden konnte. Da mir die Arbeit, welche ich bei Allreal machen kann, so gut gefällt, will ich mich nun mehr auf die Arbeit und mein Umfeld konzentrieren und das Curling nun als Freizeitbeschäftigung ausüben.
Was kannst du jetzt, wo du mit Leistungssport aufgehört hast, tun, was du vorher nicht konntest?
Der grösste Unterschied, welchen ich bis jetzt merke, ist dass ich viel mehr Zeit für Familie, Freunde und auch mich selbst habe. Ich kann spontan meine Wochenenden planen, ohne dass ich den Turnierkalender im Kopf haben muss. Auch Ferien während der Saison ist nun möglich. Ausserdem ist mein Sommer nun auch tatsächlich eine Pause. Bis anhin sind wir bereits im Juni/Juli wieder auf dem Eis trainieren gegangen.
Zudem arbeite ich zurzeit in einer Anstellung von 75% und werde ab November 2023 das Pensum auf 100% erhöhen, was mit einer Sportkarriere nicht möglich wäre.